Friseurhandwerk: Neuer Mindestlohn für alle?(Artikel aus dem Deutschen Handwerksblatt 05/13)
Tarifpolitik:
Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks einigt sich
mit Verdi auf einen Mindestlohn. Die Allgemeinverbindlichkeit wird
angestrebt. Deutschlands Friseure wollen weg vom Billig-Image.
"Ein allgemeiner, gesetzlicher Mindestlohn ist seit Monaten in aller Munde.
Was vor Jahren noch unvorstellbar war, scheint Form anzunehmen: Die Politik
schickt sich an, in die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie
einzugreifen und den Tarifpartnern eine Lohnuntergrenze zu diktieren. Als
Negativbeispiel muss in diesem Zusammenhang auch immer wieder das
Friseurhandwerk herhalten. Dort würden Niedriglöhne gezahlt, die
Arbeitnehmerinnen erhielten oftmals ergänzende Leistungen der Sozialkassen,
um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Dagegen wehrt sich die Branche. Die Landesinnungsmeisterin des sächsischen
Friseurhandwerks Cornelia Scheuer - Barthel fordert aber auch eine kritische
Selbstreflexion. "Zunächst muss im Rahmen der Mindestlohndebatte
klargestellt werden, dass gute Friseure auch schon bisher gutes Geld
verdienen konnten, denn wir haben keinen Lohn-, sondern einen
Vergütungstarifvertrag. Das heißt, der Friseur/die Friseurin erhält einen
Grundlohn plus einen umsatzbezogenen Leistungslohn. Gute Leistung wurde
ergo auch bisher mit guten Löhnen honoriert. Aber das ist gar nicht der
Punkt. Vielmehr erhalten wir jetzt die Quittung dafür, dass wir aufgrund
unseres immer schlechter gewordenen Organisationsgrades seit nunmehr neun
Jahren nicht mehr in der Lage waren, eigene Tarifverhandlungen zu führen.
Im Grunde haben die Friseure, die nicht in der Innung organisiert sind, und
jene Obermeister, die mit ihren Innungen aus dem Landesverband ausgetreten
sind, unsere Organisation so geschwächt, dass wir heute vor der Situation
stehen, dass wir von der Politik einen Lohn aufgedrückt bekommen können.
Spezielle regionale Rahmenbedingungen werden dabei natürlich nicht
beurteilt. Wir sind tarifpolitisch fremdbestimmt und dafür sind wir selbst
verantwortlich", sagt Scheuer - Barthel.
Bundesverband geht in Offensive
Nun versucht das organisierte Friseurhandwerk gegenzusteuern. Ab August
soll ein Mindestlohn gelten, der in Stufen bis zum Jahr 2015 auf 8,50 Euro
pro Stunde in allen Bundesländern steigt. Darauf haben sich die
Gewerkschaft Verdi und die Landesverbände des Friseurhandwerks verständigt.
Der nun vereinbarte Tarifvertrag soll bei 6,50 Euro pro Stunde im Osten und
7,50 Euro pro Stunde im Westen starten. Diese Tarife gelten ab dem 1.
August dieses Jahres. "Wir streben die Allgemeinverbindlichkeit für diesen
Tarifvertrag an, bis Ende Juni werden wir den Antrag stellen",
unterstreicht die Landesinnungsmeisterin aus dem Erzgebirge. Wenn
festgestellt wird, dass die tarfigebundenen Arbeitgeber mehr als 50 Prozent
der in dieser Branche beschäftigten Arbeitnehmer vertreten, kann die
Bundesregierung die Allgemeinverbindlichkeit erklären. Das bedeutet, dass
dann jeder Friseurbetrieb - unabhängig ob Innungsmitleid oder nicht - an
den Tariflohn gebunden ist.
Weg vom Billig-Image
Vor allem seit der Novellierung der Handwerksordnung hat es im
Friseurhandwerk einen starken Anstieg der Betriebszahlen gegeben. Ende 2002
gab es in Deutschland 64.250 Betriebe. Derzeit sind es fast 80.000. Gerade
in den Großstädten gibt es eine hohe Betriebsdichte mit entsprechendem
Konkurrenzdruck. Ob und inwieweit die Kostensteigerungen, die aus dem neuen
Tarif resultieren, an die Verbraucher weitergegen werden können, wird eine
entscheidende Frage sein. Leipzigs Innungsobermeisterin Sylvia Reimann
sieht dem relativ gelassen entgegen. "Prinzipiell steht jedes Unternehmen -
unabhängig von der Branche - vor der Aufgabe, seine Preise so zu gestalten,
dass mit Gewinn gearbeitet wird. Wir Friseure müssen weg davon, immer
günstiger sein zu wollen. Unsere Mitarbeiter sollen von ihren Löhnen leben
können. Wir setzen auf Qualität, dann werden die Kunden auch die höheren
Preise akzeptieren", zeigt sich die Leipzigerin, die zugleich auch
stellvertretende Landesinnungsmeisterin ist, von dem Vorhaben überzeugt.
Die Friseure setzen damit ein Zeichen: Gleicher Lohn in Ost und West, ob
Stadt oder Land. Und nicht zuletzt strebt das Friseurhandwerk an, genauso
als qualitativ hochwertiges Handwerk wahrgenommen und entlohnt zu werden
wie andere Gewerke. Olaf Blümel